Tatsächlich ist es nun schon länger her, dass ich das letzte Mal hier etwas geschrieben habe. Der heutige Tag, das Erntedankfest, gibt mir jedoch Anlass doch einmal Rückblick zu halten. Auch wenn es nicht meine Art ist, hier persönliche weltanschauliche und politische Position zu beziehen, die nicht direkt die Landwirtschaft betreffen, werde ich heute an manchen Stellen nicht drumherum kommen. Persönlich möchte ich mich eigentlich nicht als fromm bezeichnen, dennoch spielt der christlich-lutherische Glaube in meinem täglichen Leben und Arbeiten eine entscheidende Rolle.
Gerade die landwirtschaftliche Tätigkeit ist in mehrfacher Hinsicht eine Arbeit, die für mich eng mit dem Glauben verwoben ist. Das betrifft auf der einen Seite ganz klar das Wunder der Schöpfung, dass wir alltäglich von der Aussaat bis zur Ernte in unserer Arbeit miterleben dürfen. Daß wir dabei trotz allem wissenschaftlichen Fortschritt am Ende immer noch auf Gottes Gnade angewiesen sind, hat uns besonders die zurückliegende Ernte gezeigt. So sind hier bei uns immer noch Getreideschläge zu finden, die bis jetzt nicht befahren und beerntet wurden konnten. Hier zeigt sich, wie absurd die alte sozialistische Losung „Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein!“ war. Auch heutzutage haben wir allen Grund an Erntedank, dankbar zu sein.
Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, für mich. Als Bauern stehen wir, in mehrfacher Hinsicht, in einer besonderen Verantwortung. Die Verantwortung unsere Mitmenschen täglich mit genügend Nahrung zu versorgen und dabei die uns anvertraute Erde zu erhalten oder ihren Nutzen zu mehren. Es ist ein klares Gebot, dass Gott uns, direkt nach unserer Schöpfung, mit auf den Weg gegeben hat: „Seid fruchtbar und mehret Euch, machet Euch die Erde untertan!“. Wir haben dazu alles an die Hand bekommen. Wir haben ein Globus voll mit kostbaren Ressourcen und wir haben eine Natur die bis ins Kleinste hinein klaren Gesetzen gehorcht. Gesetze, von denen wir täglich neue entdecken und die wir nutzbringend uns zu eigen machen können. Seit rund 200 Jahren steigt die Weltbevölkerung rasant an und dennoch haben wir es auf eine unbegreifliche Weise geschafft Hunger und auch Armut immer stärker zurückzudrängen. Das alles war nur möglich, indem wir die uns anvertraute Schöpfung, zu begreifen und zu nutzen gelernt haben. Für mich ist es die Motivationen meiner täglichen Arbeit, die Herausforderung anzunehmen die täglich größer werdende Menschheit zu versorgen. Züchtung, Düngung, Pflanzenschutz, Mechanisierung, das alles sind die Ergebnisse unseres Forscherdranges. Das alles sind die Geheimnisse die uns vom Anbeginn der Schöpfung mitgegeben wurden und die uns jetzt, nach ihrer Entdeckung, helfen die Welt zu ernähren. Das Streben nach steigenden Erträgen kommt immer mehr in den Verruf ein verwerfliches Streben nach Profit zu sein (Und täglich grüß die Profitgierkeule). Auch ich strebe danach, meine Erträge zu steigern, aber definitiv nicht vorrangig aus finanziellen Gründen. Zum einen ist es der persönliche Ehrgeiz, zum anderen ist es für mich auch eine Art Pflicht und Dienst an Gott und meinen Mitmenschen. Mit jedem Kilogramm Getreide, dass ich mehr ernten kann, kann woanders jemand ein Brot mehr essen. Ein Brot, das vorher nicht existierte, für einen Menschen der deswegen vorher hungerte!
Letzteres kann eine satte Gesellschaft kaum mehr nachvollziehen. Immer häufiger kursiert das Credo des Verzichts. Ohne Frage, persönlicher Verzicht und Sparsamkeit sind noble Tugenden. Doch die Realität sieht anders aus: Statt selber zu verzichten, fordert man lieber Verzicht von anderen. Beispielsweise von uns Landwirten, die wir auf die Errungenschaften der vergangenen 200 Jahre, und damit auf einen großen Teil unserer Ernte verzichten sollen. Dass wir damit auch auf wichtige Lebensmittel verzichten, die Menschen zu ihrem Überleben brauchen, leuchtet einer Gesellschaft, die ihr Essen aus dem Kühlregal bezieht, nicht mehr ein. Auch der christliche Glaube, predigt nicht nur das Teilen und die fürsorgliche Verantwortung dem Nächsten gegenüber, auch er lobt Verzicht und Sparsamkeit. Genau an dieser Stelle, entsteht nun ein Konflikt, der wohl nur in einer Welt möglich ist, in der man scheinbar schon alles und noch viel mehr hat. Als gläubiger Christ und Landwirt mit dem oben genannten Idealen sehe ich mich zunehmend zwischen den Fronten. Von einer Vielzahl der Kanzeln und der Mehrheit der kirchennahen Organisationen wird eben nicht jener unbeliebte persönliche Verzicht gepredigt, sondern zunehmend die Art und Weise unserer Arbeit gegeißelt. Brot-für-die-Welt und ihre verwandten Organisationen sind in vielen Ländern erfolgreich mit der Etablierung biologischer Anbaumethoden. Sie sind erfolgreich, weil sie damit einen fortwährenden Raubbau bekämpfen, der hier gerne als traditionelle Wirtschaftsweisen romantisiert wird. Gegen diese Erfolge ist absolut nichts einzuwenden, doch von diesen eigenen beschränkten Erfahrung ausgehend führt man einen Feldzug gegen die moderne Landwirtschaft hierzulande, obwohl sie maßgeblich und vor allem nachhaltig die Ernährung eines Großteils der Menschheit sichert. Es ist schon bezeichnend, dass der Friedensnobelpreisträger Norman Borlaug, der mit seiner Grünen Revolution hunderte Millionen Menschen vom Hungertod rettete, heute keinerlei Beachtung mehr findet. Hört man sich so manche Stellungnahmen von Kirchenfunktionären an, verfolgt man die Kampagnen vieler kirchlicher Organisationen oder sieht wer auf Kirchentagen welche Positionen präsentieren darf, kann man sich als Landwirt inzwischen schon aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen fühlen. Auch Kirchenaustritte, als Folge dieser Entwicklung, sind heutzutage keine Seltenheit mehr. Es ist eine schwierige Situation, die ich gut nachvollziehen kann. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass man das Kind mit einem Austritt mit dem Bade ausschüttet und zum anderen man sich so nur der eigenen Resignation hingibt. Wir haben hier in meiner Heimatgemeinde das sehr große Glück einen Pastor zu haben, der die Landwirtschaft kennt und ihr ohne falsche Ressentiments gegenübersteht. Für mich fällt es daher leicht ausblenden, was von anderen, übergeordneten Ebenen für Ausfälle gegen uns Landwirte getätigt werden. „Ich kann auch glauben, ohne in der Kirche zu sein.“, ist ein Satz den ich in Zusammenhang mit Austritten schon des Öfteren gehört habe. Rein sachlich mag er stimmen, doch praktisch gelebten Glaube habe ich bei solchen Leuten dennoch nie gesehen. Auch ein Übertritt in eine andere Kirche ist mir bisher noch nicht untergekommen. Ja, es ist belastend das ganze Jahr über für das Essen seiner Mitmenschen zu schuften, dafür in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht einmal vernünftig entlohnt zu werden, um sich dann von seiner Kirche erzählen lassen zu müssen, was man alles falsch machen würde, doch ich bin der Überzeugung, dass man auch das ändern kann. Neben dem üblichen Spektrum der Öffentlichkeitsarbeit, angefangen vom simplem, erklärenden Gespräch, bis hin zur Hofführung, bietet sich im kommenden Jahr auch wieder die Möglichkeit, direkt kirchlich mitreden zu können. 2018 stehen die Kirchenvorstandswahlen in Niedersachsen an und vielerorts werden noch händeringend Kandidaten gesucht. Ja, Ämter und Funktionen kosten Zeit und Kraft, also die knappesten eigenen Ressourcen. Doch ohne unser eigenes Engagement in Politik, Gesellschaft und Kirche, dürfen wir uns auch nicht beschweren, wenn eine satte und verständnislose Gesellschaft unser landwirtschaftliches Leben und Arbeiten nicht mehr zu schätzen weiß.
Für viele, die heute nicht das Glück hatten wenigstens etwas Anerkennung für ihre Arbeit zu bekommen, für jene die zum Gottesdienst gingen um für die diesjährige Ernte zu danken und mit Groll über die Predigt wieder nach Hause gehen mussten, aber auch für alle anderen, habe ich die Predigt unseres Pastors Thorsten Oppermann angehängt. Eine Predigt, in der er auch unsere Arbeit zu schätzen wusste und so möchte ich ihm auch für seine Arbeit danken!
Predigt zu Erntedank 2017 in Rebenstorf