Es gibt unzählige und zum Teil kurios wirkende Gedenktage. Auch auf dem heutigen 16. Oktober lag ein Gedenktag, der alles andere als kurios ist, aber wohl dennoch von den meisten unbemerkt blieb: der Welttag der Ernährung.
Es ist schon symbolisch, daß wir ihm in unseren Breiten sowenig Aufmerksamkeit schenken, haben wir doch mit dem Steckrübenwinter 1918/19 die letzte katastrophale Hungersnot in Europa noch im letzten Moment abwenden können. Was für uns selbstverständlich ist, ist für die meisten Menschen unvorstellbarer Luxus: mit Essen übervolle Regale in Supermärkten die quasi 24/7 geöffnet haben. Rund die Hälfte der Weltbevölkerung ist unzureichend ernährt, ein kanppes Achtel leidet unter Hunger.
Die Zahl derer die hungern nimmt Jahr für Jahr ab, für uns alle müsste es zu langsam sein, denn es sind immerhin 750 Mio Menschen deren Gesundheit, bzw ihr gesamtes Leben durch Mangelernährung bedroht sind. Das es trotz aller Programme nicht schon längst deutlich weniger geworden sind liegt an einem gern unterschätzten und ausgeblendeten Faktor, der explodierenden Weltbevölkerung.
Führt man sich vor Augen, daß sich die Menschen auf der Erde in den letzten 25 Jahren fast verdoppelt haben, und mit ihnen der Bedarf an Lebensmitteln, wird einem klar, daß die gleichzeitige Reduzierung der Hundernden von einst über einer Milliarde, was damals etwa 25 % der Weltbevölkerung entsprach auf etwa 750 Mio, die heute nur noch 12 % der gewachsenen Weltbevölkerung darstellen, ein gigantischer Erfolg ist. Einen Erfolg den man denen zu verdanken hat, die jeden Tag neue Ideen entwickeln wie man nachhaltig mehr ernten kann und noch vielmehr Dank gebürt denen, die sie in die Praxis umsetzen.
“Wir verfügen heute über Technologien, um 10 Mrd. Menschen auf nachhaltiger Basis zu ernähren. Die dringenste Frage der Gegenwart lautet: Wird es den Landwirten erlaubt sein, diese Technologien zu nutzen?” Dieses Zitat stammt aus dem Jahre 2000 von dem Vater der “Grünen Revolution”, dem Friedensnobelpreisträger Dr. Norman Borlaug (Der Mann der dem Hunger die Stirn bot). Er gehört zu denjenigen, die neue Ideen zur praktischen Anwendung verholfen hat und ist daher einer derjenigen, denen wir die prozentuale Halbierung des Hungers auf der Welt verdanken. Einen würdigeren Träger eines Friedensnobelpreises könnte es kaum geben. Dennoch, würde er heute leben und wirken, wäre es äußerst fraglich ob er ihn wieder bekommen würde.
In unserer satten Zeit können sich immer weniger Menschen für steigende Erträge, nachweisbare Nachhaltigkeit und neue Technologien begeistern. Die Begriffe in der westlichen Gegenwart heißen Extensivierung, Ökologisierung, Low-Input usw.. Zwar erntet man mit damit fast immer weniger und fast immer auch in deutlich geringerer Qualität, doch ist das in einem Umfeld in dem es mehr als genügend zu Essen gibt belanglos. Jede selbstverantwortete Missernte kann man hier ohne weiteres durch den hohen Wohlstand irgendwo in der Welt einkufen. Das sie dann aber anderen Menschen zu puren Überleben fehlt, interessiert nicht, denn die leben weit weg und sind meistens so kraftlos, daß man auch nicht erwarten müsste, sie würden als Hungerflüchtlinge dem Essen hinterherwandern.
Es geht bei uns nicht mehr ums satt werden, sondern um ein “gutes Gefühl”, daß man sich in einer Zeit in der man eigentlich schon zu viel von allem hat, bequem an der Supermarktkasse einkaufen kann. Interessant ist auch zu wissen, daß die Verdoppelung der Menschheit ein weit größeres Nachfragewachstum nach Lebensmitteln folgte, da auchd er weltweite Wohlstand in den letzten 25 Jahren gewachsen ist. Mit ihm änderten sich die Ernährungsgewohnheiten: mehr Fleisch, braten statt kochen, Mais und Weizen statt Hirsen, zuckerhaltige und alkoholische Getränke statt abgekochten Brunnenwassers. Der menschliche Körper hat weltweit die gleichen Vorlieben und Bedürfnisse, er mag Fleisch, Stärke, Süßes und ab und an mag er sich den Geist mit etwas leicht berauschenden etwas erleichtern. Was hierzulande alle Alarmglocken erschrillen lässt, scheint offensichtlich über alle Kulturen hinweg Grundbedürfnis zu sein. Hierzulande wird inzwischen nicht nur mit dem Finger auf die Maßlosen zeigend Verzicht für alle gepredigt, sondern auch die diversesten Arten von Mangelernährung, sie sie nun vegetarisch, vegan, frutan oder sonstirgendetwas, geradezu zelebriert wie eine religiöse Orgie, leider oftgenug mit einem ebensolchen Extremismus verbunden.
Neben unserem traditionellem Erntedank, gibt uns der heutige Welttag der Ernährung einen guten Anlass einmal über uns und andere auf der Welt nachzudenken. Lebensmittel haben ihren Namen, weil wir ohne sie schon nach kürzester Zeit vergehen würden. Zu ihnen zählen streng genommen noch viel mehr Dinge als unser tägliches Brot. Seien wir dankbar, daß wir sie hier in ausreichenden Maße haben, aber verschließen wir nicht in unsere Kulturarroganz die Möglichkeiten, daß auch Menschen anderer Regionen und Kulturen in den Genuss dieses Wohlstands kommen können!