Warum spritzen wir eigentlich?

Die Frage mag den landwirtschaftlichen Praktiker unter den Lesern erstaunen, könnte er doch nach guter fachlicher Praxis sofort Diagnosen, Schadschwellen, Ertrags- und Qualitätseinbußen runterbeten. Doch das ist nicht die Antwort auf die Frage!

In den vergangenen Monaten hatte sich am Glyphosat eine Debatte entzündet, die zunehmend den modernen Pflanzenschutz an sich in Frage stellt. Nach einem sehr einseitigen Bericht des ARD-Magazins Plusminus verfasste der göttinger Pflanzenschutz-Professor Andreas von Thiedemann einen offenen Brief, von dem man durchaus behaupten kann, er sei in den sozialen Netzwerken viral gegangen (Die ganz schwarze Stunde des Fachjournalismus). In diesem Brief kritisiert von Thiedemann, daß in dem Bericht in keinster Weise auf die großen Vorteile und die Alternativen zum modernen Pflanzenschutz eingegangen wurde. Könnten wir selbst eine befriedigende Antwort dem interessierten Verbraucher geben? Vermutlich kaum, denn Zahlen, Daten und Fakten, wie sie für uns Landwirte als Praktiker und selbstständige Unternehmer im Vordergrund stehen vermögen kaum zu begeistern und das ist es, was wir als erstes müssen.

Der bloße Hinweis auf die Mindererträge, die aus mangelnden Pflanzenschutz resultieren reichen um uns den Vorwurf der reinen Profitgier einzuhandeln (Und täglich grüßt die Profitgierkeule). Durch den immer weiter sinkenden Anteil der selbstständig und freiberuflich Tätigen unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten schwindet das Verständnis dafür, daß bei dieser Lebensart gewinnorientiertes Handeln für das eigene Lebenseinkommen unabdingbar ist. Jenes Einkommen, welches ansonsten pünktlich zum Monatswechsel auf das eigene Konto eintrudelt und lapidar gesagt das Ergebnis des typischen 8-16-Uhr-Jobs ist.
Auch mit der Ernährungssicherheit lässt sich schlecht argumentieren, sind doch die hungernden Kinder in Afrika und Fernost weit weg und hilft man ihnen doch zur eigenen Gewissenserleichterung alljährlich zur Weihnachtszeit mit einer angemessenen Spendenüberweisung, die man sogar noch steuerlich geltend machen kann. Und das eigene Essen? Das hat man sich gefühlt vollkommen selbst erarbeitet, steht es einem in Supermärkten, Kiosken und Tankstellen quasi 24/7 zur Verfügung. Zur Not macht man aus dieser eine Tugend und lädt die Liebste ebend zum Essen beim Italiener um die Ecke ein. Hunger und Mangel sind für den Städter genauso weit weg, wie der Landwirt, der für diesen Wohlstand sorgt.

Was der gestresste Großstadtmensch braucht sind weder Zahlen noch Fakten, was er in seinem urbanen Jungel verzweifelt sucht sind Emotionen und Geschichten. Marketingstrategen haben schon lange erkannt, daß das Produkt zweitranging ist, Marketing ist alles! Das funktioniert nicht nur bei Smartphone und Co., der Bioboom, der zwar nur eine Nische bedient aber den gesamten Diskurs über unsere Lebensmittelerzeugung bestimmt, schlägt genau in diese Kerbe. Bio vermittelt alles, was man in seinem modernen Alltag vermisst: Natur, Ursprünglichkeit, Gesundheit.

Auch wir können unsere moderne Landwirtschaft mit Emotionen und Geschichten verkaufen. Wir führen unsere Betriebe mit Begeisterung und böse gesagt ist jeder Betrieb bei dem diese Emotion fehlt eh schon seinem Ende geweiht. Wirtschaftlicher Erfolg ohne Herzblut ist schwer und einen Nachfolger zu finden ohne ihn begeistern zu können fast unmöglich. Videowettbewerbe wie Clip-my-farm zeigen eindrucksvoll wie gerade die junge Generation ihren Traum von der Landwirtschaft lebt. Übertragen wir doch diese Emotion auch auf unsere Produkte.

Doch wie fasst man ein so heißes Eisen wie den Pflanzenschutz an? Indem wir uns genau auf der emotionalen Schiene bewusster werden, warum wir spritzen! Einmal ganz ohne Zahlen und Fakten gedacht. Wenn unsere Kartoffeln wegfaulen, weil sie die Krautfäule erwischt haben, tut es uns doch weh, zu sehen wie der Bestand, den man bis dato gepflanzt und gepflegt hat langsam zu Grunde zu gehen droht? Setzen wir nicht allein deshalb das Mögliche daran, zu verhindern, was noch zu verhindern geht? Der Gelbrost im vorherigen Jahr, welcher uns im Weizen so viel Kopfzerbrechen bereitete, weil er kaum unter Kontrolle zu kriegen war, die neuen Herausforderungen im Raps seit Verbot der insektiziden Beizen, die Liste ließe sich noch ewig fortsetzen. Im Prinzip fühlen wir doch mit unseren Kulturen ebenso mit, wie mit unseren Nutztieren. Nicht umsonst umweht seit jeher bis zum heutigen Tag die Ernte solch mythische Faszination, weil sie der Zeit des Hoffen und Bangen ein Ende setzt. Genau das gilt es der breiten Öffentlichkeit zu vermitteln.

Schnöde Theorie mag nun mancher abwinken, doch genau das funktioniert auch praktisch! “Ernte in Gefahr!” titelten plakativ die Schilder der Schau-ins-Feld-Aktion (Schau ins Feld) auf bundesweit über 200 Höfen diesen Sommer. Spritzfenster in denen durch Verzicht auf Pflanzenschtz oftmals von der Kultur kaum mehr was zu sehen war, zeigten fernab aller abstrakten Zahlen warum wir spritzen. Die oftmals katastrophalen Bilder in den Spritzfenster dürften auch dem Fachfremden kaum kaltgelassen haben (Rüben ohne Schutz). Trampelpfade vom Straßenrand bis zum Schild lieferten mir ein gutes Indiz dafür.

Es gibt keine Patentrezepte unsere heutige Landwirtschaft besser zu präsentieren. Vielmehr ist es unser aller Aufgabe sich mit eigenen Ideen und Kreativität einzubringen. Spätestens im Frühjahr, wenn man wieder auf langen Bahnen beim Düngerstreuen oder bei der Herbizidbehandlung gedankenverloren vor sich herfährt kann man sich immer wieder die Frage stellen: Warum? Warum mache ich das hier grade? Wer sich regelmäßig selbst diese Fragen stellt und beantwortet dürfte auch gewapnet genug sein sich ohne Scheu in die nächste Debatte mit einzubringen, denn die wird eh auf der emotionalen Schiene geführt und fachlich braucht uns niemand etwas vormachen!

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