Der Bereich der Landwirtschaft und der Ernährung ist einer der beliebtesten Betätigungsfelder für Skandalmacher und Berufs-Empörte und gerade für letztere gab es im Februar mal wieder etwas schwerwiegendes zum Aufregen: In Brüssel wurde über die Zulassung der transgenen Maissorte 1507 der Firma Pioneer zum Anbau in der EU beraten, wobei sich Deutschland bei der anschließenden Abstimmung der Stimme enthielt, was viele der oben genannten Kritiker als eine indirekte Zustimmung werten (Quelle). Bereits im November hatte ein anderer dieser sogenannten “Super-Genmaise” mit dem Namen Smart-Stax die Zulassung für Import und Verarbeitung in die EU bekommen, doch was steckt nun überhaupt hinter dem Begriff “Super-Genmais”?
In den Anfängen der genveränderten Pflanzen wurde ein einzelnes Gen mit einer einzelnen spezifischen Eigenschaft in die das Genom der Pflanze eingebaut. Ein einzelnes Gen so in das Erbgut zu integrieren, daß es richtig funktioniert und keine anderen Funktionen der Pflanze beeinträchtigt ist recht kompliziert, mehrere verschiedene Gene parallel einzubauen ist daher fast unmöglich. Jedoch gibt es weltweit inzwischen zahlreiche genetisch veränderte Nutzpflanzensorten, so daß man mit Hilfe der konventionellen Züchtung die verschiedenen Eigenschaften in einer einzigen Sorte kombinieren kann. Dieser “Super-Genmais“ enthält also verschiedene fremde Gene, so wurden verschiedene Gene für die B.t.-Insektenresistenz und Herbizid-Resistenzen in den oben genannten Sorten kombiniert. Die transgenen Ausgangssorten dieser “Super-Genmais“-Sorten sind seit Jahren zugelassen und im Anbau, bisher ohne jegliche Auffälligkeiten, so daß die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) daher keinerlei Bedenken gegen eine Zulassung sah, zumal Smart-Stax selbst auch schon seit drei Jahren in den USA angebaut und verarbeitet wird.
Gentechnik-Gegner behaupten indes, daß diese Sorten kaum getestet seien und befürchten Risiken bei der Verfütterung (Quelle). Gern lassen sie dabei die Realität außer Acht, denn wie schon gesagt, diese Sorten sind woanders schon seit Jahren im Anbau und werden dementsprechend auch verwendet, alles ohne ein Anzeichen, daß hiervon eine Gafahr ausgehen könnte. Grüne Gentechnik, also genetisch veränderte Nutzpflanzen, werden von diesen Kreisen gerne als etwas absolut neues und experimentelles dargestellt, von dem man noch in keinster Weise weiß, wie sie sich auswirken könnten. Für uns in Zentraleuropa mag dies plausibel sein, immerhin haben es hier nur zwei Pflanezn kurzzeitig zu einem bescheidenen Anbau geschafft: Der B.t.-Mais Mon810 und die Stärkekartoffel Amflora . Tatsächlich ist die grüne Gentechnik aber längst kein ungewisses Experiment mehr, weltweit stellt sie längst eher die Regel, als die Ausnahme dar. 2013 wurden weltweit etwa 175 Mio. Hektar Acker mit transgenen Nutzpflanzen bestellt, dem Fünfzehnfachen der gesamte Ackerfläche Deutschlands (Quelle). Seit etwa zwanzig Jahren gibt es genetisch veränderte Pflanzen im landwirtschaftlichen Anbau, ohne daß bisher ein einziger Fall bekannt geworden wäre, daß Mensch, Tier oder Umwelt dadurch einen Schaden genommen hätten.
Doch soweit weg ist die grüne Gentechnik gar nicht, auch in unseren Breiten kommen wir tagtäglich mit ihren Produkten in Kontakt: Dank der B.t.-Insektenresistenz muss Baumwolle deutlich seltener gegen die diversen Fraßschädlinge chemisch behandelt werden. Das senkt die Belastung mit Rückständen und verschafft den meisten sehr armen Kleinbauern Indiens ein deutlich höheres Einkommen, da sie bessere Erträge bei deutlich geringeren Pflanzenschutzkosten erwirtschaften. Sojaschrot ist elementarer Bestandteil des Futters der meisten Nutztiere hier in Deutschland und eben dieses Soja ist großteils genetisch verändert. Tiergesundheit und die Leistungen der Tiere nehmen kontinuierlich zu, auch hier gibt es kein Anzeichen, daß die Etablierung genveränderten Sojas irgendwelche negativen Auswirkungen gehabt hätte.
Da die heraufbeschworenen Gefahren der grünen Gentechnik nun nicht so wirklich als Argument fruchten, wird gerne darauf hingewiesen, daß diese Technik nur den großen Agrarkonzernen und der industriellen Landwirtschaft diene. Dabei wird auch gerne ausgeblendet, daß 90 % der Nutzer Kleinbauern sind. Zudem muss hierbei zwingend differenziert werden, so hilft einem Kleinbauern in einem Entwicklungsland eine Herbizidresistenz recht wenig, denn in der Regel werden hier eh keine Unkrautbekämpfungsmittel angewandt. Stattdessen lassen sich hiermit Arbeit und Kosten in modernen Wirtschaftsformen sparen. In Südamerika führte dies tatsächlich zu dem befürchteten Effekt, daß die Reichen gegenüber den Armen noch reicher wurden. Doch wurde bereits oben die B.t.-Baumwolle angesprochen. Baumwolle zählt zu den pflanzenschutzintensivsten Kulturen überhaupt auf der Welt, Unzählige Insektenarten können schnell zu einem 100 %igen Ernteausfall führen. Da die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln Erfahrung und Fachwissen voraussetzt, welches bei vielen Kleinbauern in Entwicklungsländern kaum vorhanden war und ist, führte die kostspielige Anwendung oft nicht zum gewünschten Ergebnis. Viel Geld wurde für die Maßnahmen ausgegeben und am Ende war die erhoffte Ernte dennoch vernichtet und manchmal auch die eigene Gesundheit durch die unsachgemäße Anwendung der Mittel ruiniert. Nur zögerlich reagierten die Kleinbauern in Indien in Anbetracht dieser Erfahrungen, als 2002 B.t.-Baumwolle als erste transgene Pflanze in diesem Land überhaupt zugelassen wurde, inzwischen enthält 90 % der Baumwolle in Indien das B.t.-Gen, vor allem auch, weil es vielen geholfen hat, mit ihrer Hilfe einen bedeutenden Schritt aus der Armut zu machen. 25 % höhere Erträge bei göleichzeitig reduzierten Kosten trugen deutlich zur Verbesserung des Einkommens dieser Familien bei (Quelle).
Auch andere Anwendungen sind mehr oder minder praxisreif und maßgeblich für die ärmsten der Armen eine große Chance. Neben Toleranzen gegenüber Salz, Trockeheit, Überschwemmungen, lässt sich auch die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe verändern. Das bekannsgte Beispiel hierzu ist der “Golden Rice“. In Asien erblinden jährlich etwa eine viertel Million Kinder auf Grund akuten Vitamin-A-Mangels, was hauptsächlich daran begründet liegt, daß Reis als Hauptnahrungsmittel vor allem der armen Regionen dieses Vitamin so gut wie gar nicht enthält. Vor nunmehr vierzehn Jahren, haben schweizer Forscher ein Gen, daß für die Bildung von Vitamin A zuständig ist in eine Reissorte eingeschleust, wodurch das nun gebildete Vitamin dem Reis eine goldene Farbe und seinen Namen verlieh. Mit seiner Hilfe könnte man eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Vitamin A ermöglichen. Von Anfang an, war dieses Projekt allein humanitärer Natur, ohne kommerziellen Hintergrund, was aber zum Hauptproblem wurde. Während etliche kommerzielle transgene Pflanzen weltweit etabliert wurden, blockieren diverse selbsternannte Natur- und Menschenschutzorganisationen bis heute erfolgreich den Anbau des goldenen Reises, während dessen permanent weiter Kinder erblinden und anderweitig auf Grund des Mangels erkranken. Im Januar protestierten daher die Entwickler und ein ehemaliges Gründungsmitglied von Greenpeace vor der Hamburger Zentrale der mächtigen Naturschutzorganisation, welche Hauptblockierer des Projektes ist und aus eigensten Interesse dieses makabere Spiel auf dem Rücken der Ärmsten spielt (Quelle).
Hauptproblem ist es, die Debatte um die grüne Gentechnik auf eine sachliche Ebene zu bringen. Während die Befürworter sie oftmals als den Heilsbringer einer paradiesischen Zukunft preisen, verdammen ihre Gegner sie als das Werk des Teufels. Wie bei allen Techniken der Vergangenheit, wird auch hier die Realität völlig unspektakulär und nüchtern in der Mitte liegen. Das sie uns nicht den Weltuntergang bring, ist in den letzten zwanzig Jahren und zuletzt auf 175 Mio Hektar wohl zu genüge bewiesen worden. Das sie uns helfen kann Ressourcen zu sparen und die Ernährung vieler Menschen zu verbessern, konnte sie auch schon zeigen. Sie beherbergt ein gewisses Gefahrenpotential, das es genau zu ergründen und einzukreisen gilt. Den Hunger auf der Welt wird sie aber allein nicht besiegen können, dafür bedarf es weitaus mehr, allen voran Bildung, denn das Wissen über die biologischen Vorgänge, über die fachgerechte Anwendung unserer modernen Kulturmethoden, über eine vernünftige Lagerung und Konservierung der Ernte ist der Hauptschlüssel um die wachsende Weltbevölkerung auch zukünftig ernähren zu können. Hier in Europa leben wir im Gegensatz zu dem Großteil der Menschheit in eine landwirtschaftlichen Gunstregion, die uns hohe und vor allem stabile Erträge garantiert. Die Etablierung einer Agrarwissenschaft, hat maßgeblich dazu beigetragen, daß wir Hungersnöte nur noch aus Märchen und Geschichten kennen. All das lässt einen schnell vergessen, daß die vollen Supermarktregale hier keine Selbstverständlichkeit sind und für die meisten Menschen unvorstellbar sind. Gewisse Vorbehalte gegen die Gentechnik sind angebracht und gerechtfertigt, bevor eine transgene Pflanze in den Anbau kommt, sollte sie erst ausgiebig untersucht und getestet werden. Nichtsdestotrotz geht die radikale und komplette Ablehnung der grünen Gentechnik an der Realität vorbei, in der sie schon längst angekommen ist. Vielmehr nimmt sie unmenschliche Züge an, wenn man lieber Hunger, Tod und Krankheiten anderer Menschen in Kauf nimmt, als selbst den Anbau von Pflanzen zuzulassen, welche nur ein winziges Gen mehr oder weniger enthalten als ihre Artgenossen. Es scheint, als sei Realität diesbezüglich an uns vorbeigegangen!